Stoned Golem

*-* ... und wir wissen, dass es keine Wunder gibt ... *-*

Wenn Sätze Zu Lizenzpflichtigen Waren Werden...

Das Zitatrecht scheint dieser Tage unter starkem Beschuss zu stehen. Im Rahmen des Leistungsschutzrechtes (LSR) soll es zwar gewahrt werden, aber gleichzeitig werden schon “kleinste Übernahmen” lizenzpflichtig. Wie dieser Widerspruch in der Praxis gelöst werden soll ist unklar, aber es ist zu erwarten, dass vor allem Blogger darunter leiden werden und eine Menge Abmahnungen erwarten dürften.

Doch damit nicht genug: Nun mischt sich auch die Erbin von Vicco von Bülow, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Loriot, in die Diskussion mit ein. Die Dame ist keine Unbekannte, denn sie hat schon erfolgreich gegen Wikipedia geklagt und erreicht, dass eine Loriotgedenkbriefmarke dort nicht “digital reproduziert” werden darf. Offizielle Zahlungsmittel, die in ihrer Gestaltung der Allgemeinheit gehören sollten und keinem Künstler, sind folglich ab jetzt doch Urheberrechtlich geschützt. Vielleicht kann die Künstler der Euronoten vielleicht demnächst jeden 500 Euro-Schein zurückfordern, wenn man für die Nutzung des Zahlungsmittels keine Lizenz erwirbt?

Denkt man diesen Gedanken weiter, dann müssten folgerichtig auch Gesetze unter das Urheberrecht fallen, womit jedes Urteil dann für den Unterlegenen besonders teuer werden würde: Zu den Verfahrenskosten würden auch noch Lizenzkosten für die Nutzung der Gesetze, nach denen man verurteilt wurde, kommen. Ist es nicht ungerecht, dass gerade Gesetzestextautoren nicht von ihrer Arbeit leben können und pauschal für ihre Dienste entlohnt werden?

Der Vergleich hinkt? Mitnichten. Denn die durch Rundfunkgebühren finanzierten Tatortautoren wollen doch genau dies für ihre eigenen Werke, obwohl ihr Einkommen durch eine Zwangsabgabe gesichert ist. Wieso sollte also ausgerechnet der Ministerialbeamte, der ebenfalls von öffentlichen Gelder bezahlt wird, auf angemessene Entlohnung für sein geistige Leistung auch über seinen Tod hinaus verzichten müssen? Haben denn die Tatortautoren keine Solidarität mit ihren Kollegen? Denn sie stellen meines Wissensstandes nach nicht den Grundsatz in Frage, dass Gesetze gemeinfrei veröffentlicht werden. Oder anders ausgedrückt: Wieso sollte ausgerechnet der Textproduzent für Tatort anders behandelt werden als der Textproduzent für Gesetze?

Aber zurück zur Erbin. Vom Sieg über Wikipedia beflügelt klagt sie munter weiter. Heutiges Ziel: Eine Loriotbiografie, die zu acht (8!) Prozent aus Zitaten besteht, für die natürlich getreu Zitatrecht keine Lizenz eingeholt wurden. Im Gegensatz zur Doktorarbeit eines Freiherren von und zu Guttenberg sind die Zitate aber ordentlich belegt — der Vorwurf der willentlichen Täuschung kann also in diesem Fall nicht eingebracht werden. Verhandelt wird die Sache am Landgericht Braunschweig, also quasi vor meiner Haustür. Und wie ich die Braunschweiger Gerichte kenne wird kein gutes Ergebnis dabei herauskommen. In diesem Fall wird es wohl auf die Abschaffung des lizenzfreien Zitates hinauslaufen. Dies wäre des endgültige Aus für die Wissenschaft und den Journalismus! Ja genau, denn auch die Verlage, die sich gerade ihr Leistungsschutzrecht sichern wollen, könnten dann nicht mehr über kulturelles berichten, wenn über ihnen das Damoklesschwert einer kostenpflichtigen Lizenz schweben würde.

Aber… eigentlich würde ich es den Verlagen wünschen. Wenn ich bedenke, dass sie ständig über die “Umsonstkultur” im Internet lästern, sie sich selbst aber kein anständiges Lexikon leisten können oder wollen, in dem Guttis Name korrekt angegeben ist und statt dessen lieber auf das auch für sie kostenfreie Wikipedia zurückgreifen — dann wäre es doch mal an der Zeit ihnen ihre “Umsonstkultur” auszutreiben. Vielleicht wird ja die Erbin Loriots eines Tages für diesen Erfolg bekannt sein. Wer weiß. Sollte sie aber vor Gericht Recht bekommen, werden die Verlage eh in Revision gehen… Sie wissen sich halt ihre Pfründe zu schützen.

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