Stoned Golem

*-* ... und wir wissen, dass es keine Wunder gibt ... *-*

Wider Der Umsonstkultur!

Auch die ach so um Austausch bemühten Tatortautoren schreiben in ihrem Offenen Brief von der “Umsonstkultur”, die im Internet ihr Unwesen treibt. Von den Internetnutzern und Piraten (im Sinne der Partei) fordern sie, dass diese sich von einigen Lebenslügen freimachen sollten, während sie selbst an einer festhalten. Denn der Mythos der Umsonstkultur ist genau das: Ein Mythos, aufrecht erhalten von Menschen, die krampfhaft an einem vielleicht zum Sterben verdammten System festhalten wollen. Schaut man aber genauer hin wird man feststellen, dass es durchaus Bezahlmodelle gibt, die von Nutzern mit Freuden in Anspruch genommen werden — vielleicht auch deshalb, weil zahlenden Konsumenten bei diesen Angeboten nicht automatisch unter dem Generalverdacht der Piraterie gestellt werden. Auf geht es also zu einer kleinen Exkursion bezahlter Alternativkultur im Internet um die Lüge der Umsonstkultur zu widerlegen.

****1. Free/Libre Open Source Software

Free/Libre Open Source Software, kurz FLOSS, ist der wohl größte Pain in the Ass der proprietären Softwareentwickler. Während sie ihr Produkt mit restriktiven Lizenzmodellen künstlich verknappen und damit ungeniert den Preis willkürlichen festlegen können, wird FLOS-Software im Internet zum Download angeboten, die in fast allen Fällen mindestens gleichwertig mit der proprietären Software ist.

Software dieser Art lässt sich entgeltfrei aus dem Netz herunterladen, installieren und benutzen, was zu der unsinnigen Ansicht führte, FLOS-Software wäre umsonst. Doch das ist sie gar nicht. Ihre Finanzierung basiert auf einem anderen Modell als dem klassischen Verkauf an den Consumer, der für die Nutzung des Produktes einen Geldbetrag zahlt. Vor allem sind die akzeptierten Währungen vielfältiger als die bloße Reduzierung auf schnöden Mammon.

So dient Mitarbeit als eine Möglichkeit etwas an das Projekt zurückzugeben. Diese muss nicht zwangsweise informatischer Natur sein, denn neben der reinen Programmierarbeit gibt es genügend Bereiche, in die man sich auch ohne Informatikstudium einbringen kann. Dokumentation, Übersetzung, Bugreports und Hilfeseiten wären Beispiele für eine Möglichkeiten der Beteiligung, die auch für Geisteswissenschaftler realisierbar ist und über schlichte Werbung und Bekanntheitssteigerung hinausgeht. Wer sich auf diese Art in Projekte einbringen möchte, der wende sich einfach an das entsprechende Projekt und frage nach offenen Baustellen. Derer gibt es sicherlich viele und irgendwas Sinniges findet sich immer.

Die monetäre Unterstützung von FLOSS-Projekten gestaltet sich dagegen ausgesprochen vielfältig. Einige Projekte, vor allem kleinere, finanzieren sich ausschließlich über Spenden. Andere bieten ihre Software sowie den Quellcode zum Kauf an, erlauben aber jedem Nutzer, die Software kostenfrei weiterzugeben. Viele große Projekte bieten ihre Software neben dem kostenfreien Download als inhaltlich identische CD-Version an und finanzieren durch diese Erlöse ihre Unternehmungen.

Weit verbreitet ist auch das Sponsoring. Vor allem Hardwareunternehmen wie Intel, IBM oder Hewlett Packard investieren Geld in die Entwicklung freier Software. Besonders Intel tut sich derzeit im Bereich der Grafikbeschleunigung hervor, da sie ihre Gerätetreiber offen legen und so schon häufig der Treiber in den Linux-Kernel eingepflegt ist, bevor der Chip überhaupt für den Consumer erhältlich ist. Sogar Microsoft unterhält Mitarbeiter, die ausschließlich für FLOSS-Projekte programmieren. Als Consumer zahlt man durch den Hardwarekauf die Softwareentwicklung, ähnlich wie man Fernsehwerbung für Nutella durch den Kauf von Ferreroprodukten finanziert. Dieses Beispiel verdeutlicht recht gut, dass durch Querfinanzierung ganze Branchen überlebensfähig werden und wirft die Frage auf, warum dies gerade bei Software anders sein sollte.

Neben der Abhängigkeit von Unternehmen ist vor allem in den USA das Stiftungsmodell zur Finanzierung von freier und offener Software beliebt. Zu den bekanntesten Stiftungen dürften die Mozilla Foundation (Firefox, Thunderbird), die Apache Foundation (Apache Webserver) sowie die Free Software Foundation (GNU) gehören. Diese Stiftungen sorgen dafür, dass Programmierer von ihrer Arbeit leben können obwohl sie ihre Software der Allgemeinheit zur Weiterentwicklung und Nutzung zur Verfügung stellen. Das Stiftungskapital kann dabei aus mehreren Einnahmequellen erschlossen werde. Die Free Software Foundation beispielsweise bezieht ihr Kapitel aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Softwareverkäufen.

Schon dieser wirklich exemplarische Exkurs verdeutlicht: “Free” in “Free Software” bezieht sich nicht auf den Preis, sondern auf Freiheit. Auch wenn die Software anfangs entgeltfrei aus dem Netz geladen werden kann finden sich dennoch viele Möglichkeiten, diese Unternehmen zu entlohnen. Die Darstellung von Freier Software im Sinne von Freibier ist nichts weiter als ein ideologischer Kampfbegriff, den man vermeiden sollte, wenn man konstruktiv mit Nutzern Freier Software spricht. Wer mehr zu dieser Sichtweise wissen möchte, dem seien die Aufsätze von Richard Stallman ans Herz gelegt.

2. Kickstarter

Ich glaube, wenn man sich in die Diskussion über das Urheberrecht einmischt, sollte man sich bewusst machen, dass es an vielen Punkten um Ideologie geht. Oder besser: Um Ideologien. Am Beispiel Kickstarter lässt sich beispielsweise nachweisen, dass durchaus auch Sichtweisen, die das Marktgeschehen betreffen, in die Diskussion mit einfließen.

Kickstarter ist eine Website, die Kreativen die Möglichkeit gibt, ihre Idee für einen selbst gewählten Zeitraum zu präsentieren. In dieser Zeit können Interessenten sich diese Idee anschauen und — sofern sie gefällt — mit barer Münze unterstützen. Die Unterstützung ist aber keine Spende, sondern eher eine Subskription auf das fertige Werk.

Der Anbieter kann bestimmen, ab welchem Wert der Unterstützer das Werk bekommt und in welcher Form. Diese Angaben werden transparent auf der Website angezeigt, damit man weiß, was man für sein Geld erwarten kann. Traditionell — oder gemäß der kapitalistischen Logik — steigt die Anzahl an Zugaben und Goodies mit der Höhe der Unterstützung.

Ich erinnere mich beispielsweise an ein Spiel, welches zu folgenden Konditionen angeboten wurde: Für 40 Dollar gab es das Spiel, für 70 zwei, für 140 fünf Ausgaben des Spiels. Sich mit Freunden zusammentun und eine “Sammelbestellung” aufzugeben lohnte sich also, da der Einzelpreis des Spieles dadurch massiv sank.

Ein anderes Beispiel aus dem Musikbereich: Für einen Dollar Unterstützung gab es das Album, welches mit den Einnahmen produziert werden sollte, als digitalen Download; für zehn Dollar das Album als CD und Download, für 20 das Album auf CD und Download plus einen Haufen Gimmicks, für 50 das Album plus Gimmicks plus goldenem USB-Stick mit allen Alben der Künstlerin. Ich glaube, ihr habt das System verstanden.

Aber was hat das nun mit Ideologie zu tun? Ganz einfach: Am sogenannten freien Markt herrscht die Vorstellung, dass der Markt Angebot und Nachfrage reguliere und sich das beste — im Sinne von am besten angepassteste — Produkt durchsetzt. Bei Kickstarter ist der anonyme Markt raus und die Community entscheidet, welche Angebote erfolgreich werden. Diese erhalten dann auch ihren angestrebten Supportbetrag, während andere, die weniger ansprechend wirkten, ihr Ziel nicht erreichen. Auf ideologischer Ebene ist dies also eine Verlagerung von einem regulierenden Markt zu einer regulierenden Community.

Kickstarter widerlegt recht eindrucksvoll die These der Umsonstkultur im Internet, da sich die Projekte ausschließlich mit Geld unterstützen lassen und auch gut unterstützt werden, wenn man sich die Projekte dort anschaut. Das Märchen vom bezahlfaulen Internetnutzer kann also kaum stimmen, wenn sich dort soviel Geld einfindet, welches für neue, kreative Projekte zur Verfügung steht.

3. BandCamp

Der größte ideologische Graben in der Urheberrechtsdiskussion erstreckt sich sicherlich zwischen Nutzern und Major-Labels, die gerne auch mal als “Contentvermarkter” verschrien werden. Der Vorwurf von Seiten vieler Internetaktivisten an die Majors ist, dass sie die Künstler ausbeuten, ihnen Knebelverträge aufdrücken und selber den großen Reibach machen würden. Die Künstler dagegen (unter ihnen auch die eingangs erwähnten Tatortautoren) bestreiten, dass es eine Dichotomie zwischen Künstler und Vermarktern gebe; vielmehr handele es sich bei dieser Konstellation um ein erprobtes und für beide Seiten gewinnbringendes Modell, wenn sich der Künstler ausschließlich um seine Kunst und ein Dritter um die Vermarktung kümmert.

Dass diese Ansicht nicht kritiklos ist, habe ich ja schon erwähnt. Doch Kritik allein ohne einen Gegenvorschlag ist nicht immer ziel führend und so kommen wir zu BandCamp, einer zentralen Anlaufstelle für Künstler, die sich selbst vermarkten wollen. In gewisser Weise ist BandCamp auch ein Vermarkter, allerdings vollkommen anders als die Majors, die auch in die künstlerische Gestaltung und Darstellung ihres “Produktes” eingreifen. BandCamp dagegen bietet lediglich Infrastruktur, die Künstler nutzen können. Präsentation, Inhalt, Musik und Preis bestimmen die Musiker selber. Sogar die Lizenzierung ist den Künstler überlassen und so finden sich im friedlichem miteinander Werke, die unter einem restriktiven Copyright stehen neben Creative Commons Lizenzen.

Vor allem Independent-Künstler greifen gerne auf BandCamp zurück. So vertreibt die Band “Walk off the Earth”, denen mit ihrer Interpretation von “Somebody that I used to know” ein gigantischer YouTube-Hit mit über 125 Million Kilcks gelang, ihre Musik über BandCamp. Damit erhalten sie sich eine künstlerische Freiheit, die in dieser Art sicherlich nicht von den Majors toleriert werden würde.

Besonders in Kombination mit Kickstarter wird BandCamp gerne genutzt: Dient Kickstarter als Finanzierung eines Albums, so lässt sich BandCamp nutzen um die Musik an zahlungswillige Kunden zu verkaufen, die damals vielleicht das Kickstarterprojekt übersehen oder sich aus anderen Gründen nicht daran beteiligt haben. Die Kombination Liveauftritt-Kickstarter-BandCamp wird derzeit gerne von us-amerikanischen Künstlern genutzt, die sich damit ihren Lebensunterhalt sichern können. Es geht also auch mit Selbstvermarktung obwohl im Netz ja niemand für irgendwas bezahlen möchte, wie es heißt.

****4. Pay what you want

Pay what you want ist kein eigener Dienst sondern ein Finanzierungsmodell, dass sich auf einigen Websites in letzter Zeit finden lässt. Das Modell macht genau das, was es sagt: Dem Kunden ist freigestellt, was er bezahlen möchte. Von einem Cent bis hundert Millionen Euro ist alles erlaubt. Hintergrund dieser Mentalität ist, dass dieser Tage alles teuer ist, weswegen sich auch auf Grund des Überangebotes niemand mehr alles leisten kann, was er sich vielleicht leisten möchte. Damit aber niemand verzichten muss, wird auch die Möglichkeit eingeräumt wenig zu bezahlen. Sollte der Person wieder mehr Geld zur Verfügung stehen, steht es ihr frei, bei einem anderen Projekt mehr Geld zu lassen.

Pay what you want ist, wenn man es hochstilisieren möchte, der Gegenentwurf zur Umverteilung von unten nach oben, die wir in der Gesellschaft immer stärker beobachten können. Bei diesem Prinzip unterstützen die Finanzkräftigen die Finanzschwachen und ermöglichen ihnen dennoch Zugang zu Kulturgütern, ohne dass der Künstler hungert oder das Werk “gestohlen” werden müsste. Es ist ein Mittel gesellschaftlicher Solidarität, das Teilhabe tatsächlich ermöglicht.

Obwohl diese Mentalität auf dem erstem Blick naiv erscheint, funktioniert sie dennoch. BandCamp beispielsweise bietet Künstler dieses Bezahlmodell an und diese nutzen es recht häufig. Würde es sich nicht rentieren würden die Musiker wieder vermehrt auf festgesetzte Beträge setzen. Auch das HumbleBundle, eine Zusammenstellung von Independentspielen, setzt dieses Zahlprinzip ein und hat auf diese Weise während der letzten Aktion in 14 Tagen über 5 Millionen US-Dollar eingenommen.

Pay what you want könnte ein guter Weg sein die “Piraterie” einzudämmen, da mit diesem Zahlsystem jedem und jeder Zugang zu Kulturgütern ermöglicht wird. Dabei hilft der Starke dem Schwachen das Brot des Künstlers zu bezahlen, so dass dieser nicht hungern muss. BandCamp und HumbleBundle — gerade einmal zwei Beispiele aus einem großen Pool — zeigen auf, dass dieser Weg der Finanzierung funktionieren kann und das Internetnutzer durchaus bereit sind zu zahlen. Werden sie aber von Beginn an als potentielle Raubmordkopierer kriminalisiert, dann weigern sie sich zu konsumieren, unabhängig vom geforderten Preis. Man denke nur an die schlechte “Raubkopierer sind Verbrecher”-Kampagne: Obwohl man für den Film ordnungsgemäß bezahlt oder diesen gegen Geld geliehen hat wird man bei jedem Start der DVD mit diesen blöden Filmchen bestraft, die sich im schlimmsten Fall nicht einmal überspringen oder vorspulen lassen. Hier ist — technisch gesehen — die um diese Schikane bereinigte “Raubmordkopie” durchaus im Vorteil gegenüber der kommerziellen Kauf- oder Leihversion des Filmes.

Es sind eben nicht nur monetäre Gründe, die den Wunsch nach Alternativen wecken. Denn Geld scheint der Internetnutzer zu zahlen bereit zu sein, wie die Beispiele zeigen. Was er sich aber nicht gefallen lassen möchte ist die permanente Androhung von Strafe und der Generalverdacht, unter dem er automatisch gestellt wird. Dieser (unbestätigte) Generalverdacht wird dann auch zur Rechtfertigung einer lückenlose Überwachung des Internets herangezogen, die von konservativen Politikern derzeit gerne gefordert wird. Ein Schelm, wer bei diesen Überwachungsszenarien an Orwell denkt und befürchtet, dass einmal installierte Kontrolle auch zu Zensur und Machtmissbrauch führen wird.

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