Stoned Golem

*-* ... und wir wissen, dass es keine Wunder gibt ... *-*

Netiquette Und Leistungsschutz

Wenn ihr einen logischen Fehler in der Überschrift seht, dann solltet ihr euch keine Sorgen machen, denn genau diesen Widerspruch möchte ich hier thematisieren. Grund: Ich denk seit Tagen darüber nach und muss das Ergebnis öffentlich konservieren.

Wie ihr sicherlich wisst bin ich nicht gerade ein Fan vom geplanten Leistungsschutzrecht.  Wer, außer Verleger, ist das schon, wenn künftig alles und jeder nach belieben abgemahnt werden kann, weil schon “kleinste Übernahmen” abmahnfähig werden? Ich frage mich nicht, ob sich jemand beim verfassen dieses Gesetzes Gedanken gemacht macht — das wird nämlich wahrscheinlich nicht der Fall gewesen sein, denn sonst hätte jemanden auffallen können, dass auch Dinge wie “wie sich gestern zeigte” oder “und deshalb sollte” oder “weil dies” schon kleinste Teile eines Textes sind. Abmahnungen könnten also gerechtfertigt sein, wenn diese Kombinationen in anderen Texten auftauchen. Klingt bescheuert, ist aber so. Also, ich als Verlager würde sicherstellen, dass mein Exemplar der Zeitung am Tag der Gesetzeseinführung schon genau Punkt Mitternacht ausgeliefert wird und dann alle Konkurrenten, die “kleinste Teile” übernommen haben, abmahnen. Wenn sie weitermachen wollen, müssen sie sich für das folgende Jahr dann jeden Scheiß lizenzieren lassen und der mein eigener Verlag hätte mit den Einnahmen auf ewig ausgesorgt.

Falls ein Verleger dies lesen sollte: Ich hatte die Idee zuerst (siehe Datum und Uhrzeit dieses Post) und verlange natürlich fett Tantiemen oder verklage Euch wegen Urheberrechtsverletzung und Ideenklau, wenn ihr nicht zahlen wollt!

Nachdem mein Einkommen also gesichert sein sollte, kommen wir zum eigentlichem Thema das Beitrages. Das Leistungsschutzrecht ist widersinnig, dafür braucht es nicht einmal lange Absätze wie den vorangegangenen, um das zu belegen. Darüber hinaus lässt es sich — im Sinne Stallmans — als asozial brandmarken. Eine Erklärung.

Liebe Verlage, denkt ihr allen ernstes, wir Blogger und Social-Network-Wesen verlinken auf euch, weil ihr die Größten und einzig Wahren seid? Pustekuchen. Wir verlinken auf euch, weil wir ein wenig Anstand haben und den Ursprung der Nachricht nennen. Ich weiß, dieses Konzept ist euch fremd und denke dabei an die Gutti-Namenspanne, bei der ihr Reihenweise von Wikipedia abgeschrieben habt ohne die Quelle zu nennen! Im Sinne der Nachprüfbarkeit hat es sich aber sowohl in der Wissenschaft (teilweise) und im Netzverkehr (immer öfter) durchgesetzt, die Seite zu nennen, von der teilenswerte Informationen entliehen wurden.

Da dieses Prinzip euch augenscheinlich fremd ist (erneut der Bezug auf Wikipedia — ihr werdet es einfach nicht mehr los!), wollt ihr es jetzt allen anderen verbieten, damit ihr euch nicht mehr dafür schämen müsst, es anders zu machen. Geht es euch im Endeffekt also gar nicht ums Geld, sondern wollt irh damit eure Sichtweise von Zitation verbreiten? Merkt ihr eigentlich, dass ihr euch damit lächerlich macht?

Quellenangaben sind gut, richtig und wichtig. Das haben schon viele ermogelte Doktoren und Doktorinnen feststellen müssen. Auch Journalisten sollten ihre Argumentation auf guter Quellenbasis aufbauen. Im Netz, wo jede beliebige Information nur einen Mausklick entfernt und demokratisch (also für alle) verfügbar ist, hat es sich durchgesetzt, den Ursprung zu verlinken und nicht Google damit zu belästigen. Wieso brecht ihr also mit juristischer Gewalt dieses Konsens auf? Wollt ihr, dass das Netz aufhört auf euch zu referieren und euch in Zukunft einfach ohne Quellenangabe paraphrasiert? Das ließe sich einrichten und zwar auch in Ausformungen, denen ihr nicht mir Urheberrechtsklagen begegnen könnt. Sollte dies aber geschehen, dann seid ihr raus. Raus aus der netzöffentlichen Wahrnehmung und damit aus den Köpfen vieler, vieler Menschen. Auch eure Druckerzeugnisse, die ich als Abo beziehe, stehen derzeit alle auf dem Prüfstand und werden gekündigt, sobald ich mich nicht mehr an den Inhalt erinnern darf. Papier um des Papieres Willen brauch ich nicht. Und bezahlen will ich dafür erst recht nicht.

Ihr brecht hier mit einem zutiefst menschlichen Verhalten: Nämlich dem Teilen von Informationen! Dies zu unterbinden und dabei die ohnehin schon dünne gesellschaftliche Solidarität weiter zu untergraben ist schlicht und ergreifend asozial. Es ist das informationspolitische Äquivalent zur proprietären Software. Liegt es also an uns neben der Free Software Foundation noch die Free Information Foundation zu gründen?

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