Stoned Golem

*-* ... und wir wissen, dass es keine Wunder gibt ... *-*

Die Rache Der Kreischenden Teenies

Im Horrorgenre sind sie beliebte und oftmals auch beliebige Schlachtstücke, die den Body Count in die Höhe treiben. Ihr Tod gilt als Sinnbild für den Verlust der Unschuld, an dem wir uns alle in der einen oder anderen Form schuldig machen. Zeitgleich stirbt mit ihnen auch die Zukunft, die sie gewesen wären, wenn sie den Film bis zum Abspann bzw. das Hörspiel bis zur Abmoderation überlebt hätten. Die Rede ist von Teenagern, die seit Nightmare on Elm Street und Freitag, der 13. in Massen niedergemetzelt werden. Logische und narrative Gründe für ihr reihenweises Dahinscheiden wurden schon genannt, der zwingendsten Grund aber, warum man als Zuhörerin oder Zuschauerin teilweise wirklich froh ist, wenn es die Tenies erwischt, wurde bisher verschwiegen: Entweder agieren die Figuren derart dämlich, dass man aus rein evolutionären Gründen ihr Ende begrüßt; oder ihr Geschrei nervt derart, dass ihr Tod wenigstens die verbleibenden Härchen im Ohr am Leben lässt.

Richtig anstrengend wird es, wenn Protagonisten beide Eigenschaften in sich vereinen. Leider bietet das WDR-Hörspiel Vor Sonnenaufgang zu viele dieser ätzenden Persönlichkeiten, die leider erst nach 40 Minuten den Löffel abgeben.

Dabei war die Ausgangssituation nicht schlecht. Die Übertragung der aus Filmen wie Blair Witch Project, Paranormal Activity oder Cloverfield bekannten Technik der (ich nenne es jetzt mal) geschriebenen Authentizität gefällt mir sehr gut. Anstatt der obligatorisch-verwackelten Handkamera mit eingeschränkten Blickwinkel, der partout nicht abzubilden vermag, was ich als Zuschauer eigentlich unbedingt sehen will, gibt es Audioaufnahmen, die erstaunlich rauscharm und in der Regel zu gut abgemischt das Geschehen akustisch abbilden. Diese kleine Ungereimtheit ist weniger technisch bedingt als vielmehr unseren Hörgewohnheiten geschuldet: Wer möchte schon ein massiv rauschendes Hörspiel hören, bei dem die Handlung nur zu erahnen ist, wenn man sich auf das Gehörte mit voller Aufmerksamkeit konzentriert? Den meisten Menschen wäre eine so große Authentizität einfach zu anstrengend.

Nichtsdestotrotz lassen sich mit Stereoeffekten und mit dem Spiel der Lautstärke gute räumliche Eindrücke erzielen. Eines meiner liebsten Beispiele für ein gelungenes Hörstück nach dieser Machart ist Lübbe Audios Mitschnitt, Folge Eins: Das Haus am See. Bis heute wache ich nachts mit einem gruseligen Gefühl in der Magengegend auf, wenn mir jemand im Schlaf Alexandras “Illusionen” vorspielt. Dank dem Haus am See, welches ich wohl mindestens einmal zu viel zum Einschlafen gehört habe, ist das Lied bei mir fest mit bevorstehenden Horror verbunden. Und da sag nochmal eine/r, Pawlow lässt sich nur bedingt auf Menschen übertragen!

Von dem Format ist Vor Sonnenaufgang leider nicht, auch wenn es bemerkenswerte Ähnlichkeiten gibt: In beiden Hörspielen manövrieren sich leicht leichtsinnige und dümmliche Tenies und Twenies an einen von der Zivilisation abgeschiedenen Ort, an dem sie ein nicht romantisches Date mit ihrem Unheil haben. Am See ist es die alte und selten genutzte Hütte eines Verwandten, beim Hörspiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Ausgangssituation komplexer, immerhin dürfen Gebührenzahler*innen etwas mehr Gehalt für ihre Gebühren erwarten. Hier also die Zusammenfassung:

Eine Horde austauschbarer Gothics mit bedeutungslosen Namen machen sich von einem Ort, der entweder nicht genannt wurde oder den ich mir nicht gemerkt habe, nach Leipzig auf. Dort spielt nämlich einen von den Kiddies vergöttert Band, die im kindlich-naiven Extremismus pubertierender Jugendlicher “möglicherweise nie wieder in Deutschland” auftreten wird. Und da einer die Roadies kennt und die Gefolgschaft folglich garantiert kostenlos in den Saal gelassen wird, wird schnell das Auto vom Vadder der Jüngsten ((Ihr Name ist übrigens Ella, was ich mir nur merken konnte, weil er oft genug geschrieen wurde. Von Relevanz ist diese Information aber nicht, da im Gegensatz zu The Cabin in the Woods die Reihenfolge der Tode vollkommen egal ist.)) entwendet, da offensichtlich mindestens eine der Personen schon alt genug ist, ein Auto zu bewegen. Wegen der schon erwähnten garantierten Einmaligkeit des Band-Auftrittes wird noch fluks eine Videokamera mitgenommen, die den bevorstehenden Kreisch-Marathon zum Leidwesen der Hörer*innenschaft mitschneidet. Auf den Weg nach Leipzig wird noch eine Anhalterin aufgegabelt und mindestens eine falsche Abzweigung genommen. Achtung, es folgt sexistische Kackscheiße: Der rechte Weg wird natürlich nur nicht eingeschlagen, weil die Jüngste ((Wir erinnern uns, die mit Papis Wagen. Ich glaube, sie ist auch die, die die aus einer einzigen Sounddatei bestehende Töhle mit in ihrer Handtasche rumschleppt, die darüber hinaus nicht im entferntesten glaubhaft nach Hund klingt.)) die Karte nicht vernünftig lesen konnte. Ich dachte eigentlich, derartige Klischees wären anno 2013 zumindest bei Menschen mit einem Rest Kultur passe.

Um dieses anschauliche Beispiel von dummen Sexismus zu Zeiten von Brüderles Dirndl-Gate mit durchsichtigen Gazestoff zu verdecken, wird tief in die Trickkiste gegriffen und eine absolut zwingende Wendung präsentiert: Papi kam ((sicherlich zum ersten Mal überhaupt!)) vorzeitig von einem Termin wieder, der eigentlich das ganze Wochenende dauern sollte. Wieder daheim bemerkt er das Verschwinden von Edelkarosse und der Tochter, der er per Mailbox mitteilt, dass die Polizei informiert ist. Was folgt ist das an Hirnlosigkeit kaum zu unterbietende Äquivalent zur Aufteilung der Gruppe im Tenie-Slasher-Film: Da die Polizei die Kinder ja nur auf der Autobahn (aka dem “direkten Weg”) nach Leipzig suchen, sie aber auf keinem Fall vor der Toren der heiligen Hallen erwarten wird, wählen die angehenden Nobelpreisträger*innen den Umweg durch die Pampa.

Diese glaubhafte Handlung und der zu recht kritisierte Sexismus führen schließlich an den” Arsch der Welt”, an dem es seltsamer Weise ein angeschlossenes, aber verwaistes Einkaufszentrum gibt. Wenn dies eine Hommage an Romeros “… of the dead” – Reihe sein soll, dann würde ich mich schämen, wenn ich der Kultregisseur wäre. Denn es folgt keine aussagekräftige Konsumkritik, sondern ein Lehrstück ganz anderer Art. Während ich noch am Überlegen bin, ob ich mich auf Grund der platten Handlung in meiner Intelligenz beleidigt fühlen sollte, dringt nach der Hälfte des Hörspiels erstmalig das an mein Ohr, was die zweite Hälfte dominieren sollte: Hemmungslos hochgepegeltes, verdammt lautes und absolut nicht verständliches Gekreische!

Meine kurze Hoffnung, es könnte zwar ohne ersichtlichen Grund dafür aber zu meiner Befriedung den oder die Erste/n erwischt haben, wird zu nichte gemacht: Es ist nur der realistisch laute Klingelton eines Handys, der jedes Wort der Tenies in der Lautstärke überlagert. Das Handy muss zuvor wohl Joey Die Mayonnaise von Männerchor gehört haben ((Ist es damit die folgerichtige Rache eines True Metalers an den whimps and posers?)).

Wie dem auch sei, das Handy läutet nach dem genretypischen langwierigen Anfang das akustisch und logisch unverständliche Ende ein: Wieso auch immer dringen die Protagonisten in das Kaufhaus ein, dann jagen sie gruselige Schatten im Keller, die zuerst seltsame Geräusche von von sich geben und dann die Jagd auf das zarte und junge Menschenfleisch eröffnen — Pony in der Lasagne ist halt von gestern! Zwischenzeitlich wird dann noch der Hund gebraten und am Ende “überlebt” eine Infizierte, um die Krankheit in die Welt zu tragen. Zusammengehalten wird diese Aneinanderreihung von Klischees durch ständiges, viel zu lautes und vor allem nervtötendes Schreien, das es schwer macht, der Handlung zu folgen.

Und obwohl ich so genüsslich über die offensichtlichen Fehler der Produktion herziehen, wird hier dennoch eine Chance vertan, die Vor Sonnenaufgang vor dem Absturz in die “will-ich-nie-wieder-hören”-Kiste bewahrt hatte. Zwar erschließt sich mir nicht zwingend logisch, warum Zombies, denn um diese handelt es sich beim den Kellerbewohnern offensichtlich, die Fähigkeit benötigen, wider der Schwerkraft an der Decke entlang laufen zu können. Aber wirklich cool ist die Idee des Zähneklapperns der Zombies, welches ihr Auftauchen abseits des abgedroschenen Stöhnens oder des eher humoristische Brrrrrraaaaaaiiiiinnnssssss ankündigt. Gerade weil es ein eher feines anstatt plakatives Geräusch ist, eignet es sich zum Erzeugen des wohligen Schauers, welchen ich an guten Horrorgeschichten mag. Leider kommt der Effekt aber kaum zum tragen, weil er konstant totgeschrieen wird.

Wie hoffentlich schon klar geworden ist, ist es vor allem die wirklich alles überschattende Lautstärke des unverständlichen Gekreisches, das mich stört. Denn die Performance der Sprecher*innen ist solide bis gut und weißt keine nennenswerten Aussetzer auf. Auch ihre Schreie sitzen gut und klingen nicht so sehr nach Scream-Queen-Porno, aber sie sind zu laut, so dass das Hören wegen der ständigen Sprüngen in der Lautstärke kaum Spaß macht: Entweder versteht mein kein Wort des Dialoges oder man hat Angst um seine Boxen, Ohren und den nachbarschaftlichen Hausfrieden. Keine gelungene Kombination, die die 40 Minuten des Hörspiels verdammt langwierig machen.

Aber, naja, wenigstens hatte ich im Nachhinein noch ein wenig Spaß an der Sache, denn das Schreiben eines Verrisses entschädigt oftmals für die erlittenen Qualen. Was in diesen Fall aber Schade ist, da es nicht hätte sein müssen.


Für Interessierte gibt es hier nochmal die Eckdaten des Hörspiels, welches noch für einige Tage bei Eins Live als Download für Hartgesottene verfügbar ist:

Autor: Bodo Traber

Regie: Petra Feldhoff

Mit: Tobias Schenke, Janina Stopper, Max Mauff, Nadia Hilker und anderen.

Produktion: WDR 2010

Laufzeit: ca. 42 Minuten

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