Stoned Golem

*-* ... und wir wissen, dass es keine Wunder gibt ... *-*

Causa Schavan

“Frau Prof. Dr. Schavan wird gegen die heute mit­geteilte Entschei­dung des Fakultätsrats der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf beim Verwal­tungs­gericht Düsseldorf Klage erheben.”

(Pressemitteilung der Kanzlei Redeker Sellner Dahs vom 05.02.2013.)

Dies dürfte der meistzitierte Satz der Woche sein. Frau Schavan wird der Doktortitel und damit ihre einzige Berufsausbildung aberkannt, aber sie kämpft wie eine Löwin um ihren Titel. Von Schuldbewusstsein keine Spur.Im Gegenzug hat sie schon das trügerische Vertrauen der Kanzlerin ausgesprochen bekommen, mit dem normalerweise der Abschied vom Ministerialamt eingeleitet wird. Die durchschnittliche Verweildauer nach einer derartigen Ansage Merkels liegt bei einer Woche. Ob die Tage, die sich Schavan noch auf Dienstreise in Afrika befindet, die Gnadenfrist entsprechend pro Abwesenheitstag verlängert, ist noch unklar.

Klar und deutlich vernehmbar sind dagegen die brüllenden Schreier, die jetzt Schavans Rücktritt fordern. Am besten noch Vorgestern. Da befinden sich derzeit viele Kommentatorinnen und Kolumnistinnen auf der Trittbettsurfer*innenwelle des anbiedernden Populismus. Zwar ist es richtig, einen Rücktritt Schavans zu fördern, aber mir fallen da weit bessere Gründe ein als die Aberkennung ihrer Doktorarbeit.

Und kommt mir ja nicht mit: “Ja, aber, dies beschädigt doch ihre Glaubwürdigkeit!” Wir leben in einem Land, in dem uns der “Leistungsgedanke” als Hoffnungsträger bar jeder Vernunft präsentiert wird. Das Mantra lautet: Wenn du dich nur genug anstengst, dann wirst du es auch schaffen. Aber ist dem wirklich so? Leben wir nicht eher in einer Erfolgsgesellschaft, in dem der schöne Schein, auch wenn der nicht auf eigene Leistung beruht, alle Türen zu öffnen vermag? Wie sonst ist der Erfolg von Blendern wie KT von Guttenberg zu erklären, die nie im Leben auch nur irgendwas anderes geleistet haben als sich im Nest der Eltern zu schaukeln? Nicht Leistung hilft beim erklimmen der Karriereleiter, sondern die Fähigkeit Erfolg vorzugaukeln.

Wem schon “Erfolg” qua Abstammung in die Wiege gelegt wurde, der oder die wird es auch immer leichter im Leben haben, ehrgeizige Ziele zu erreichen. Denn KT ist ja nicht raus aus dem Politikbetrieb! Das Abschreiben seiner Doktorarbeit hat ihn nicht vollends vor den Ruinen seines Lebens zurückgelassen. Denn er hat noch einen zweiten “Erfolg”, mit dem er hausieren gehen kann: Die adlige Abstammung. Menschen wie ihn lassen sich nicht auf das Abstellgleis schieben. Wo kämen wir denn dahin, wenn wir so mit den armen Menschen umgehen würden?

Tja, wahrscheinlich dahin, wo die wirklich armen Menschen schon jetzt tagtäglich hinkommen: An den Rand der Gesellschaft. Isoliert. Abgeschrieben. Hoffnungs- und chancenlos. Und hier schließt sich wieder der Bogen zu Schavan, denn ihr Elitenförderungsprogamm fördert genau dies: Wer mit einer schlechten Ausgangslage in diese Gesellschaft geboren wurde, der oder die hat es besonders schwer, sich ihres “Standes” zu emanzipieren und “etwas zu werden”.  Dass sich Armut vererbt ist längst kein Geheimnis mehr, und dass vor allem Eliten versuchen ihre eigenen Pfründe zu sichern lässt sich derzeit besonders schon beobachten. Und wer Eliten statt die Breite fördert, fördert die wachsende Differenz zwischen Arm und Reich und damit den Zwiespalt in dieser Gesellschaft.

Bildung ist noch immer eines der besten Mittel um Armut vorzubeugen. Und diese Medizin sollte allen in möglichst umfangreicher und uneingeschränkter Form zur Verfügung stehen. Denn Studierende, die von den Eltern monatlich mehrere Tausend Euro zum Leben überwiesen bekommen, die kennen weder die existenzielle Notwendigkeit eines Nebenjobs noch interessieren sie die paar Kröten des “Deutschlandstipendiums”. Mit dieser “Förderung” wird viel Geld verbrannt, dass an anderer Stelle dringender gebraucht wurde. Wieso nicht eine Reform des BAFöGs? Elternunabhängig und bedingungslos? Dann könnten auch Studierende aus bildungsfernen Elternhäusern sich voll auf ihr Studium konzentrieren anstatt Überstunden im “Nebenjob” zu schieben, weil sie sonst das Geld für die Miete nicht aufbringen können. Vielleicht würden sich dann Akademiker auch zu reproduzieren beginnen, wenn sie sich ein Kind während__ des Studiums würden leisten können. Denn welche junge Familie, die auf BAFöG als Haupteinnahmequelle angewiesen ist, riskiert eine Verlängerung des Studiums, die ein Kind unweigerlich mit sich bringt? Denn nach einer sehr knapp bemessenden Regelstudienzeit läuft die Förderung aus. Und dann steht man da: Wie Schavan ohne Abschluss, ohne Perspektive. Und das Kind schreit dennoch und hat Hunger…

Das sind Gründe, die für einen Abgang Schavans sprechen. Auf diesen verantwortungsvollen Posten gehören fähige Personen, die in der Lage sind in die Zukunft zu investieren. Reichen Menschen muss nicht noch zusätzlich Zucker in den Allerwertesten geblasen werden, da sie auf Grund ihres “Erfolgsbonuses qua Geburt” einen leichteren Lebensweg zu erwarten haben. Geholfen werden muss da, wo sich Hürden aufbauen. Diese Hürden abzubauen wäre zumindest meiner Meinung nach ein essentieller Teil einer verantwortungsvollen Bildungspolitik, die diesen Namen auch verdient. Nur ist diese Politik mit Frau Schavan nicht möglich — unabhängig davon, ob sie “nur” Frau Schavan ist oder weiterhin mit Prof. Dr. angeredet werden darf.

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