Das Bundesland, in dem ich bis vor wenigen Monaten noch zu wohnen pflegte, hat gewählt. Gekonnt und mit bäuerlichem Sturkopf haben die dortigen Wähler die Spannung des sonntäglichen Tatorts noch bis Mitternacht aufrechterhalten – und dann ein Ergebnis präsentiert, das sich bisher von mir nicht so recht einschätzen lassen will.
Einerseits ist es positiv zu werten, dass Studiengebühren in Niedersachsen bald der Vergangenheit angehören werden. An diesem Punkt gibt es für mich keinen Grund an den Wahlversprechen von SPD und GRÜNEN zu zweifeln. Zwischen Harz und Nordsee werden bald also nur noch Kartoffeln und Aale meistbietend verschachert anstatt Bildungs- und Zukunftschancen. Denn dass die Campusmaut mehr Exzellenz und eine bessere Lehre im Land der Schafzucht bedingt mögen sich CDU-Ministerinnen zwar herbei phantasieren, ich als Bildungsteilnehmer habe davon allerdings nichts bemerkt.
Weniger Erfreuliches lässt sich dagegen mit den Worten FDP, PIRATEN und LINKE verbinden.
Das Gemauschel mit der CDU und der viel zitierten Leihstimme hat dem Landesverband der FDP zwar vorerst den Arsch gerettet, verlängert aber nur unnötig ihr sterben. Denn die Partei hat nachweislich keine neuen WählerInnen überzeugt! Vielmehr machten CDU-WählerInnen aus reiner strategischer Überlegung heraus ihr Kreuzchen bei den Liberalen. Auf lange Sicht wird das zu wenig Substanz für eine Partei sein, da die Angst vor rot/grün eine inhaltliche Ausrichtung und Programmatik auf Dauer nicht ersetzen kann. Nach der Niedersachsen-Wahl werden wir also weiterhin von einer sozialpolitische amoklaufenden FDP gegeißelt, die wir gestern schon zu Grabe hätten tragen können. So aber geht der untoten Albtraum noch ein wenig weiter. “Die Legislatur der regierenden Leichen V”, wenn man so will. Kein Wunder, dass es in der langweiligen Landeshauptstadt so riecht, wie es eben nur in Hannover müffelt!
Denn frisches Blut hielt keinen Einzug ins Schloss an der Leine. Sowohl LINKE als auch PIRATEN scheitern meiner Meinung nach unverdienter Weise an der 5-Prozent-Hürde. Eine zweite Legislaturperiode hätte der LINKEN gut gestanden, die in meinen Augen eine solide Oppositionsarbeit geleistet hat, die nun Fehlen wird. Und auch die PIRATEN hätten mit ein paar Prozent ins Parlament gehört: Nicht, weil sie inhaltlich besonders toll aufgestellt gewesen wären oder mit politischer Brillanz gepunktet hätten, sondern weil sie in der Opposition ein wenig politische Profession hätten lernen können. Woher sollte die auch sonst kommen, wenn nicht durch die praktische Arbeit?
Man kann von den PIRATEN halten, was man will, aber wie einst die GRÜNEN haben sie dem politische Leben neue Impulse gegeben und vor allem jüngere Bevölkerungsschichten angesprochen, die für SPD-Ortsvereine und CDU-Kaffeeklatsch weder Verständnis noch Bedarf haben. Als junge Partei haben die PIRATEN sowohl das Recht Fehler zu machen als auch zu lernen. In Niedersachsen ist diese Chance aber erstmal nicht gegeben. Und das finde ich irgendwie schade. Andererseits ist eine verlorene Wahl auch nicht gleichzusetzen mit dem Kentern auf hoher See, bei dem die gesamte Crew ihr nasses Grab findet. Die nächste Wahl kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Kleiner Spoiler: Schon 2017 müsste es in Niedersachsen wieder soweit sein. Und bis dahin kann man aus dieser Niederlage noch vielleicht wertvolle Lektionen ziehen.
Und so bleibt meine Meinung zur Wahl auch weiterhin zwiegespalten: Einerseits stellt das absehbare Ende der Campusmaut eine entscheidende Verbesserung für die Jugend in Niedersachsen dar, andererseits verknöchert das Parlament erneut und fällt zurück in die Vier-Parteien-Sitzverteilung. Und die ist ja wohl voll 90ziger. Andererseits: Wieso sollte gerade ein Bauernstaat modern und vorwärtsgewandt wählen?