Das Internet ist weit. Und frei. Die wesentlichen Standards und Technologien sind offen und können von allen eingesehen und genutzt werden. Grenzüberschreitende Kommunikation ist in Bruchteilen von Sekunden möglich. Verschlüsselungstechniken sorgen für die nötige Anonymität, die vor neugierigen Blicken schützt. Alles erscheint möglich, auch das illegale Tauschen von Dateien, deren Lizenzbedingen diese Weitergabe verbieten: Die sogenannten “Raubmordkopien”.
Diese werden dann auch gerne als Argument herangezogen, um dem Internet eine lückenlose Überwachung zu schenken, womit die allermeisten der hier gepriesenen Freiheiten ihre Reise über den Styx antreten werden. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, ob komplette Kontrolle und Zensur wirklich eine adäquate Antwort auf Urheberrechtsverletzungen sind; für mich sind sie es nicht. Um mal wieder eine dieser schiefen Realweltanalogien zu verwenden: Weil Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln schwarz fahren könnten, was sehr zum wirtschaftlichen Nachteil der Verkehrsbetriebe ist und dafür sorgt, dass sich ihre Mitarbeiter bald nicht mehr was zu Essen leisten können, überwachen wir alle Bürger von dem Moment an, an dem sie das Haus verlassen. Diese Totalüberwachung ist notwendig, damit wir lückenlos nachvollziehen können, unter welchen Umständen und wann sie sich eine Fahrkarte gekauft haben. Außerdem ist die Überwachung doch super, wenn man aus Versehen bei einer der dennoch stattfinden Kontrollen in den Bussen und Bahnen seinen Fahrausweis mal nicht vorzeigen kann (weil man ihn verloren/verlegt hat oder man sich als Rassist geoutet hat): Anhand der lückenlosen Dokumentation der Bewegung seit dem Verlassen der eigenen Wohnung lässt sich auch der Moment finden, an dem der Fahrschein gekauft wurde. Dabei fällt dann aber leider auf, dass man Bananen beim Lidl eingekauft hat und bekommt dann die Strafe für verantwortungslosen Konsum von Waren mit schlechter CO2-Bilanz und Einkauf bei Lohndrückern. Ist doch auch was und kostet mehr als einmal Schwarzfahren.
Wie gesagt, die Analogie hingt wie alle Analogien, aber sie erscheint mir im Moment recht lustig und erinnert mich, dass ich mal wieder Orwell lesen sollte. Anyway, betrachten wir aber das Internet, so gilt es immer zu bedenken, dass wir es hier mit einer grenzüberschreitenden, multinationalen Technologie zu tun haben. Dies ist insofern bedeutsam, da es ein freies Internet nur dann geben kann, wenn es wirklich an jedem Ort dieser verdammten Erde erreichbar, nutzbar und zugänglich ist. Unzensiert, ungefiltert, ungesperrt, versteht sich. Solidarität mit Internetrechtsbewegungen aus anderen Ländern ist dabei von besonderer Bedeutung, da es wenig bringt, wenn wir in Deutschland ACTA stoppen, die USA aber SOPA einführen. Ich glaube, ihr versteht, was ich meine.
Diese lange Herleitung also dazu, euch mitzuteilen, dass Stoned Golem jetzt Mitglied in der Internet Defense League ist, einer Vereinigung von Superhelden, die die Freiheit des Netzes verteidigen wollen. Superhelden ist dabei das passende Wort, denn die Ikonografie der Organisation ist ziemlich nerdig und orientiert sich an Comics. Pünktlich zum Start von The Dark Knight Rises in den USA wurden die ersten CAT-Lights mit dem Symbol der League in Betrieb genommen. Hauptaufgabe der Vereinigung: Kommunikation und Information über kommende (vor allem us-amerikanische) Gesetze, die die Freiheit des Netzs einschränken könnten. Also nichts mit Online-Terrorismus oder so, bevor hier jemand auch nur daran denkt, diesen Diffamierungsklumpen in die Hand zu nehmen und damit um sich zu schmeißen.
Aufmerksam wurde ich auf diese Organisation durch Netzpolitik.org, denen ich an dieser Stelle für die Information danken möchte. Darüber hinaus schließe ich mich ihrer Einschätzung an, dass wir vergleichbare europäische (oder zumindest deutsche) Unternehmungen bräuchten, da nach dem Scheitern von ACTA in Zukunft sich die Informationspolitik wohl massiv ändern wird, denn viele Politiker scheinen wohl der Meinung zu sein, das Gesetz an sich wäre okay gewesen, aber die Publicity war suboptimal. Ich wünsche mir ja schon länger eine Bürgerrechtsbewegung ähnlich der EFF für den europäischen Raum, aber derzeit scheint sowas kaum am Horizont auszumachen zu sein.