Die letzten Tage über beherrscht wieder die Science Fiction mein Leben. Nicht, dass dieser Themenkomplex jemals ganz verschwunden wäre, aber nach A Song of Ice and Fire und Spartacus: Blood and Sand) verlor sich die imaginierte Zukunft irgendwie im Sand der fiktionalen Vergangenheit. Aber jetzt ist das Morgen wieder da, mit all seinen Wundern, Irrwegen, Abenteuern, Warnungen und Gefahren.
Auslöser war ein Besuch bei Andere Welten in Hamburg, ein Laden, den ich nur als Nerd- bzw. Science Fiction Paradies beschreiben kann. Nachdem ich zuletzt durch keine Buchhandlung gehen konnte ohne über die dortige klägliche Auswahl an SF-Literatur zu meckern war es ausgesprochen nervenschonend vor ungezählten Regalmetern zu stehen, die — von ein bissel Fantasy mal abgesehen — nichts anderes boten als gesammelte Zukunftsvorstellungen. Alles, was ich mir in den letzten Jahren mal flüchtig zur Anschaffung überlegt hatte, war dort wirklich vorrätig; und plötzlich hatte ich die Qual der Wahl! Etwas von Andres Brandhorst, den ich mir schon länger mal zu Gemüte führen wollte? Oder vielleicht doch Hamiltons Void-Mehrteiler? Der neue von Eschbach soll ja auch nicht schlecht sein, aber muss ich den wirklich in diesem Laden kaufen, wo mensch doch besagten Bestseller wirklich in jedem verdammten Buchladen findet?
Im Endeffekt entschied ich mich für etwas, das ich zumindest einmal in einem ordinären Buchladen gesehen, damals aber nicht gekauft hatte: Dan Simmons Hyperion-Gesänge. Die Wahl bot darüber hinaus auch noch eine schöne Geschichte, die ich hier unbedingt erzählen muss.
Während ich also noch überlegend vor dem Regal stand und mich zu entscheiden versuchte — angedacht war Brandthorst —, viel mein Blick auf die Hyperion-Gesänge und ich musste das Buch einfach mal wieder in die Hand nehmen. Es ist ein erstaunliches Druckerzeugnis; und ich spiele jetzt nicht auf den Inhalt, sondern vielmehr auf das physikalische Totbaumwerk selbst an! Obwohl es nur die Ausmaße eines durchschnittlichen Taschenbuches hat umfasst es um die 1400 Seiten. Gedruckt auf etwas, das an Bibelpapier erinnert, welches aber wirklich stabil und nicht durchscheinend ist. Das Resultat dieser Papierwahl: Das Buch ist schwer. Unerwartet schwer, was an der ungewöhnlichen Dichte des dünnen, aber stabilen Papiers liegt. Und jetzt das entsprechende Wortspiel dazu: Der Dichter Simmons hat das Buch halt dichter gemacht. Einmal auf die Schenkel klopfen bitte und dann lasst uns diesen unsäglichen Witz vergessen.
Ich steh also da, die Gesänge in der Hand, und überlege noch, als der Verkäufer auf mich zu kommt, auf das Buch blickt und meint: “Herrlich. Ein großartiges Buch. Du hast es doch gelesen.”
Ich, kleinlaut: “Ähm… nein. Irgendwie bin ich bisher nicht dazu gekommen.”
Er, forsch: “Na, dann, also! Du schaust doch kein Fußball, also nimm dir das Buch und bis Montag hast du’s durch. Das liest sich am Stück!”
Ich fand dies so lustig, dass ich Hyperion schließlich gekauft habe. Zwar hatte der Verkäufer mit dem Fußball Recht, nicht aber mit der Lesedauer: Ich bin erst auf Seite 300 und versuche, erst meine Arbeit zu erledigen bevor ich mich wieder nach Hyperion begebe… wo es mich derzeit beinahe magisch hinzieht. Binnen weniger Seiten hat dieses Buch meine Liebe für Science Fiction, die in letzter Zeit ein wenig eingerostet ist, wieder voll entflammt. Wunderbare Bilder, gezeichnet mit wundervoller Sprache, getränkt mit funkensprühender Phantasie an allen Ecken und Ende und belebt mit interessanten Charakteren, deren Lebensgeschichte die erste Hälfte der Hyperion-Gesänge umfassen. Ich bin hellauf begeistert und sende auf diesem Weg mein Dank nach Hamburg für diese Empfehlung. Verbunden mit der Bitte, dass der Nachfolgeband, Endymon, bitte nächsten Monat im Regal von Andere Welten auf mich warten möge.